Hardheim: Die Bürger sollen vom Windpark profitieren

Pläne für den Bürgerwindpark bei Gerichtstetten sind weit fortgeschritten – Sechs Anlagen sollen Strom für 10.000 Haushalte erzeugen

Hardheim: Die Bürger sollen vom Windpark profitieren

Harald Schmieg und Projektmanagerin Ulrike Ludewig zeigen, wo es langgehen soll: Entlang des Feldwegs auf der Höhe zwischen Gericht- stetten und Neidelsbach soll der Windpark „Hohe Birke“ entstehen. Im Hintergrund ist der Windpark Boxberg zu sehen. Foto: R. Busch

Windpark-Gerichtstetten
In Sachen Transparenz und Bürgerbeteiligung ist der Windpark „Großer Wald“ bei Hettingen Vorbild für das Gerichtstettener Vorhaben. Foto: R. Busch

Hardheim-Gerichtstetten. „Unser Ziel ist es, die Wertschöpfung weitgehend vor Ort zu belassen und den Bürgern direkte Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten“, sagt Harald Schmieg (EKS Solartechnik GmbH), und Ulrike Ludewig (Fortwengel Holding GmbH) ergänzt: „Transparenz ist uns bei der Entwicklung des Projekts sehr wichtig.“ Gemeinsam wurde die Windenergie Gerichtstetten GmbH und Co. KG aus der Taufe gehoben, die zwischen Gerichtstetten und Neidelsbach den Bürgerwindpark „Hohe Birke“ verwirklichen soll. Lassen sich die Pläne umsetzen, dann könnten dort 2016 sechs über 200 Meter hohe Windkraftanlagen errichtet werden, die Strom für rund 10.000 Haushalte liefern sollen.

Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Harald Schmieg, der im Hohenstädter Grund einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, mit dem Thema Erneuerbare Energien. Mit seiner Firma EKS Solartechnik GmbH hat er seither mehr als 800 Photovoltaikanlagen geplant und verwirklicht.

„Da rund um Gerichtstetten immer wieder neue Windkraftanlagen errichtet wurden, begann ich, mich auch diesem Thema zu widmen“, erklärt Schmieg. Mit der Fortwengel Holding GmbH hat er vor drei Jahren den passenden Partner für die Projektentwicklung gefunden. Das mittelständische Familienunternehmen mit Sitz im niedersächsischen Sögel ist in der Landwirtschaft und seit 20 Jahren zudem im Bereich Windkraft tätig. Etwa 270 Anlagen wurden seither realisiert.

Mit dem früheren Bürgermeister von Hüffenhardt, dem gebürtigen Gerichtsettener Bruno Herberich, verfügt Fortwengel über einen in der Region gut bekannten freien Mitarbeiter.

Gemeinsam gründeten EKS und die Fortwengel Holding daraufhin die Firma Windenergie Gerichtstetten GmbH und Co. KG. Das in Frage kommende Gelände stand auch schnell fest: Ein 54 Hektar großes Gebiet auf der Anhöhe zwischen Gerichtstetten und Neidelsbach, das im Entwurf des Regionalplans als Vorranggebiet für die Windkraftnutzung vorgesehen ist. Dort heißt es in einer Einschätzung von Juni 2014: „Insgesamt ist das Vorhaben aus regionaler Sicht mit voraussichtlich geringen negativen Umweltauswirkungen verbunden.“ Zu Gerichtstetten verbliebe ein Abstand der nahesten Anlage von rund 1200 Meter, zu Neidelsbach wären es über 800 Meter.

Durch die Ausweisung im Regionalplanentwurf würde dieses Gebiet auf jeden Fall für die Windkraft genutzt, meint Harald Schmieg: „Wir steuern nur, wie es genutzt wird.“ Und dies so soll geschehen, dass die Bürger, die ja später auch eventuelle negative Folgen wie Sichtbeeinträchtigungen tragen müssen, von den Anlagen profitieren sollen.

„Wir möchten den Bürgern die Möglichkeit geben, sich als Kommanditist zu beteiligen.“ Harald Schmieg denkt dabei an das Beteiligungsmodell, wie es zuletzt zum Beispiel beim Windpark „Großer Wald“ in Hettingen praktiziert worden war. Die dortigen Betreiber, die Windenergie S & H GmbH, mit den Windkraftpionieren Bernd Brunner und Uwe Steiff bezeichnet Schmieg in Sachen Bürgerbeteiligung und Transparenz als „leuchtende Vorbilder“.

Wer sich aber nicht beteiligen möchte, der soll indirekt auch vom Bürgerwindpark profitieren. Etwa die Hälfte der vorgesehenen Fläche umfast Gemeindewald, so dass diese Pachteinnahmen der Allgemeinheit zukommen würden. Außerdem verzichten die Eigentümer der übrigen Grundstücke auf einen Teil der zu erwartenden Einnahmen und stellen diese dem Ortsteil Gerichtstetten zur Verfügung. Die genauen Standorte der geplanten sechs Anlagen stehen zwar noch nicht fest, doch mit Hilfe eines Poolmodells haben sich die Betreiber die Standorte und die Baulastflächen bereits gesichert.

Dass die viel zitierte „Wertschöpfung vor Ort“ für Harald Schmieg und Ulrike Ludewig mehr als nur eine Floskel ist, zeigt sich auch daran, dass als Firmensitz Gerichtstetten gewählt wurde. Dass sie es zudem mit der Transparenz ernst meinen, lässt sich durch die frühe und umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit belegen: Bereits im vergangenen Herbst fanden entsprechende Informationsveranstaltungen in Gerichtstetten und Neidelsbach statt. Im Herbst, wenn das Genehmigungsverfahren einen Schritt weiter ist, soll eine weitere Infoversammlung folgen.

Die sechs Anlagen sollen eine Nabenhöhe von 140 Meter und eine Rotorhöhe von 120 Meter erhalten. Mit einer Nennleistung von 3 Megawatt sollen sie jährlich 7,5 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen. Zusammen würde dies reichen, um etwa 10.000 Haushalte zu versorgen. Für den Bau ist eine Investitionssumme von mehr als 30 Millionen Euro nötig. Etwa 30 Prozent dieser Summe sollen als Eigenkapital aufgebracht werden, durch den Verkauf von Anteilen an Bürger und Energiegenossenschaften.

Parallel zur Fortschreibung des Regionalplans und des Flächennutzungsplans läuft das Genehmigungsverfahren, wobei die artenschutzrechtliche Prüfung bis Herbst abgeschlossen sein soll. „Unser Ziel ist es, dass der Bauantrag noch in diesem Jahr genehmigt wird“, unterstreicht Harald Schmieg. Dann könnte der Windpark 2016 errichtet werden.

Im Gegensatz zu anderen Projekten in unmittelbarer Nähe seien nur vereinzelt kritische Stimmen zu hören. Im Gegenteil: „Das Projekt wird von viel Wohlwollen begleitet“, sagt Ulrike Ludewig.

© Rhein-Neckar-Zeitung, Samstag, 25.04.2015