Initiatoren setzen auf echte Bürgerbeteiligung

RNZ 23.05.2017   Im ersten Quartal 2018 soll er ans Netz gehen: „Wenn sich die Räder drehen, sollen alle etwas davon haben“

Initiatoren setzen auf echte Bürgerbeteiligung

Windpark-Gerichtstetten Fotomontage
So könnte der Blick aus Richtung Gerichtstetten auf den Bürgerwindpark bald aussehen: Vier der sechs bis zu 230 Meter hohen Anlagen sind bereits genehmigt. 48 Millionen Kilowattstunden Strom könnten dort pro Jahr erzeugt werden, so die Initiatoren. Fotomontage: Fortwengel

Harald Schmieg und Ulrike Ludewig
Ulrike Ludewig (Fortwengel Holding) und Harald Schmieg stellten der RNZ die Pläne für den „Bürgerwindpark Gerichtstetten“ vor. Foto: Rüdiger Busch

Hardheim-Gerichtstetten. „Unser Grundgedanke war immer, einen Windpark für die Region zu bauen“, sagt Harald Schmieg. Denn wer die negativen Folgen eines solchen Projekts wie die Eingriffe in die Natur oder die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes tragen muss, der sollte auch davon profitieren, so die Philosophie der Initiatoren. Und am „Bürgerwindpark Gerichtstetten“, der im ersten Quartal 2018 ans Netz gehen und im Jahr so viel Strom liefern soll, wie mehr als 10.000 Haushalte verbrauchen, könnten die Menschen in der Region gleich mehrfach profitieren: durch eine direkte finanzielle Beteiligung und durch die Pachtzahlungen an die Gemeinde.

Schon bei der ersten Vorstellung der Pläne vor mehr als zwei Jahren stand das Ziel, die Wertschöpfung weitgehend vor Ort zu belassen, für die Verantwortlichen ganz oben. Harald Schmieg, der im Hohenstädter Grund einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaft und die Firma EKS Solartechnik GmbH leitet, hat mit Ulrike Ludewig von der Fortwengel Holding GmbH (Sögel, Niedersachsen) eine Expertin an der Seite, die über langjährige Erfahrung in der Verwirklichung von Windkraftprojekten verfügt. Gemeinsam wurde die Windenergie Gerichtstetten GmbH und Co. KG aus der Taufe gehoben, die im Wald zwischen Gerichtstetten und Eubigheim den aus sechs Anlagen bestehenden Bürgerwindpark errichten und betreiben soll.

Die Ausrichtung als Bürgerwindpark und die Tatsache, dass in Person von Harald Schmieg ein Einheimischer Motor des Projekts ist, hatten dafür gesorgt, dass dem Vorhaben von Anfang an eher mit Wohlwollen als mit Misstrauen begegnet worden war. Umso überraschter waren die Projektentwickler über die teils heftigen Reaktionen auf die Rodungsarbeiten, die Ende Februar durchgeführt worden waren. „Wir haben alles dafür getan, die nötigen Eingriffe in den Wald zu minimieren“, betont Ulrike Ludewig. Vorhandene Wege habe man dabei so weit wie möglich genutzt. Abstandsregelungen und anderen Vorgaben hätten dies aber nicht immer möglich gemacht.

Für die ersten vier Standorte wurden 4,5 Hektar Wald gerodet. 3,2 Hektar davon werden nach der Errichtung der Anlagen vor Ort sofort wieder aufgeforstet. Weitere 2,8 Hektar sollen als Ausgleich an anderer Stelle aufgeforstet werden. Zudem werden 9,5 Hektar Wald aus der Nutzung genommen, so dass die ökologische Bilanz rein rechnerisch sogar deutlich positiv ist. Für Kritik hatte aber auch gesorgt, dass die Ausgleichsflächen nicht in Gerichtstetten, sondern in Hardheim und Ahorn geschaffen werden sollen. Hier habe der Ortschaftsrat inzwischen aber „eine wirklich gute Lösung“ gefunden, so Schmieg. Als Ausgleich für andere Baumaßnahmen soll in Gerichtstetten eine gemeindeeigene Fläche aufgeforstet werden, so dass der Ortsteil nach Abschluss der Maßnahme sogar über mehr Wald als zuvor verfügt.

Ursprünglich war geplant gewesen, dass gleich für alle sechs Anlagen Rodungsarbeiten stattfinden. Zwei der sechs Anlagen waren im Dezember aber nur vorbehaltlich der Zustimmung des Verteidigungsministeriums genehmigt worden. Und die lässt auf sich warten, da die beiden Windräder um sechs bzw. neun Meter in eine Tiefflugzone ragen würden. Kleine Ursache, große Wirkung: Um keine Verzögerung des gesamten Vorhaben zu riskieren, entschieden sich die Projektentwickler dafür, die vier unstrittigen Anlagen voranzutreiben und für die beiden anderen Windräder, die nun kleiner ausfallen, als ursprünglich geplant, eine Änderungsgenehmigung anzustreben.

Zunächst werden also vier Anlagen des deutschen Herstellers Enercon vom Typ E 141 errichtet. Mit einer Nabenhöhe von 159 und einem Rotorradius von 70 Metern kommen sie auf eine Gesamthöhe von knapp 230 Meter und eine Leistung von 4,2 Megawatt (MW). 8,5 Millionen Kilowattstunden Strom soll ein Rad pro Jahr erzeugen und damit so viel Energie erzeugen wie in 850.000 Litern Diesel steckten Im Juli sollen die Fundamente gegossen werden, und im ersten Quartal 2018 sollen die Anlagen ans Netz gehen.

Die beiden anderen Windräder (Typ E 126) werden nur 212 Meter hoch. Bei einer Leistung von 3,2 MW kommen sie auf eine Jahresstromproduktion von knapp 7 Millionen Kilowattstunden. Die Rodungsarbeiten sind – sollte die Genehmigung wie erwartet erteilt werden – für den Herbst geplant. Auch diese beiden Anlagen könnten dann im ersten Quartal 2018 in Betrieb genommen werden.

Angesichts der Vielzahl an Anlagen, die in der Region wie Pilze aus dem Boden schießen, ist auch Harald Schmieg zwiegespalten, wie er ehrlich zugibt. Statt anonymer Investoren oder großer Energiekonzerne soll bei seinem Projekt aber wirklich die Region profitieren. Bei der Bürgerbeteiligung nahmen sich Ludewig und Schmieg die hiesigen Windkraftpioniere Bernd Brunner und Uwe Steiff (Windenergie S & H GmbH) zum Vorbild, die in der Region mehrere Bürgerwindparks betreiben, etwa den Windpark „Großer Wald“ bei Hettingen. Ab Herbst können sich die Bürger an den ersten vier Anlagen beteiligen. Dann stehen auch weitere Details fest, wie etwa die Höhe der Mindesteinlagesumme oder die zu erwartende Rendite. Auch da wollen es die Projektentwickler wie die anderen echten Bürgerwindparks in der Region halten und vorsichtig kalkulieren: „Wenn der Park dann besser läuft, dürfen sich alle freuen.“

© Rhein-Neckar-Zeitung, Dienstag, 23.05.2017