Im November soll der Bürgerwindpark Gerichtstetten ans Netz gehen

Was lange währt, wird endlich gut: Die Sanierung der Betontürme ist abgeschlossen. Der Azimutzahnkranz wird noch getauscht.

Im November soll der Bürgerwindpark Gerichtstetten ans Netz gehen

Windpark-Gerichtstetten
© Windenergie Gerichtstetten GmbH & Co KG
Hardheim-Gerichtstetten. (rüb) Werden die vier Windräder südlich von Gerichtstetten, die vor einem Jahr errichtet worden sind, schon wieder abgebaut? Nein, der Eindruck, der sich derzeit beim Blick auf den Bürgerwindpark aufdrängt, täuscht: Zwar sind an der Anlage drei die 70 Meter langen Rotorblätter tatsächlich abmontiert worden, doch dient die Maßnahme nur zur Behebung eines Schadens am Azimutzahnkranz.

Der Azimutantrieb dreht die Gondel in die richtige Windrichtung. Da auch die Sanierung der Betontürme bis auf kleinere Restarbeiten abgeschlossen ist, kann es schon in Kürze heißen: Was lange währt, wird endlich gut! Geschäftsführer Harald Schmieg geht davon aus, dass der Windpark, der eigentlich schon im August 2018 ans Netz gehen sollte, im November endlich den Regelbetrieb aufnehmen kann.

Hauptgrund für die Verzögerung sind die Risse in einem Betonsegment der Hybridtürme, die vor rund 13 Monaten festgestellt worden sind. Von dem Fehler sind bundesweit gut 70 baugleiche Anlagen des Herstellers Enercon betroffen. Um die Mängel zu beseitigen, hatte Enercon zunächst ein Sanierungskonzept erstellt, das dann an einer Pilotanlage in Neudersum im Emsland erstmals getestet wurde. Die vier Anlagen des Bürgerwindparks Gerichtstetten vom Typ E-141 EP4 waren dann ab April bundesweit die ersten, die aufwendig saniert wurden. Mit einem eigens dafür entwickelten Höchstdruck-Wasserstrahlroboter wurden die schadhaften Stellen in 108 Metern Höhe mit bis zu 2800 Bar Druck abgestrahlt. Anschließend wurden Stahlmanschetten an den betroffenen Bereichen befestigt und mit einem Spezialmörtel befüllt.

„Da unsere die ersten Anlagen waren und naturgemäß keine Erfahrungswerte vorhanden waren, hat das Ganze natürlich etwas länger gedauert als anfangs gedacht“, erklärt Bürgerwindpark-Geschäftsführer Harald Schmieg beim Vor-Ort-Termin im Gespräch mit der RNZ. Am wichtigsten sei aber am Ende das Ergebnis und das stellt den Initiator zufrieden: Durch die Sanierung sei die ursprüngliche Betriebsdauer der Anlagen wiederhergestellt worden.

Drei Prüfstatiker – einer von Enercon, einer vom Bürgerwindpark und einer vom Landratsamt als Genehmigungsbehörde – haben die Sanierung begleitet. Sobald deren Überprüfungen alle abgeschlossen sind, könnten die Anlagen in Betrieb gehen.

Parallel läuft seit einigen Tagen an Anlage drei ein weiteres Projekt: Zusätzlich zu den Rissen am Betonsegment wurde dort nämlich vor einigen Monaten ein Schaden am Azimutzahnkranz festgestellt. „Das ist ein unglücklicher Zufall und hängt nicht mit den Betonschäden zusammen“, erklärt Schmieg. Ein solcher Defekt sei sehr selten, so etwas könne bei einem solchen Großprojekt aber nie ausgeschlossen werden. Zur Schadensbehebung wird der komplette Azimutzahnkranz ausgetauscht. Dafür werden die Rotorblätter, Gondel und Maschinenhaus mithilfe eines riesigen 1600 Tonnen wiegenden Krans abgebaut. Der Austausch des Zahnkranzes erfolgt dann am Boden.

Beim Abbau und bei der anschließenden Wiedermontage in einer Höhe von 159 Metern sind die Arbeiter natürlich auf gutes Wetter und vor allem wenig Wind angewiesen. Deshalb hält sich Harald Schmieg mit punktgenauen zeitlichen Prognosen etwas zurück. „Aber im November sollen alle vier Anlagen dann mängelfrei laufen, das ist das Ziel.“

Dann kann auch die Übergabe des Herstellers an den Bürgerwindpark erfolgen. Bislang ist nämlich Enercon noch Eigentümer der Anlage. Erst wenn der mängelfreie Betrieb nachgewiesen ist, erwirbt die Betreibergesellschaft des Bürgerwindparks die vier Windräder.

Dann wird auch Harald Schmieg bestimmt erst einmal kräftig durchschnaufen. Der Kopf und Motor des Bürgerwindparks, an dem gut 150 Kommanditisten aus der näheren und weiteren Region beteiligt sind, hat durch die unvorhergesehenen Schäden und die damit verbundene Verzögerung stressige Monate hinter sich. Dass die vier Anlagen erst mit rund 15 Monaten Verzögerung grünen Strom ins Netz einspeisen werden, habe aber keine finanziellen Folgen für die Kommanditisten. Für die finanziellen Einbußen, die mit den Schäden an den Türmen zusammenhängen, steht der Hersteller gerade.

Ende gut, alles gut, könnte man also sagen. Harald Schmieg hat aber bereits die nächsten Vorhaben im Blick: So sollen als Ausgleichsmaßnahmen für den Bau des Windparks noch in diesem Jahr zwei insgesamt 3,24 Hektar große Flächen in Gerichtstetten und Eubigheim, die an einen bestehenden Wald angrenzen, aufgeforstet werden. Zudem soll im Oktober mit den Erdarbeiten für die beiden noch fehlenden Anlagen begonnen werden. Diese waren ursprünglich Teil des Bürgerwindparks, wurden jedoch im Zuge des Genehmigungsverfahrens ausgeklammert, da sie um wenige Meter in eine militärische Tiefflugzone hineingeragt hätten. Deshalb war eine neue Planung mit einer reduzierten Anlagenhöhe nötig geworden. Sie sollen zwar auch als Bürgerprojekt verwirklicht werden, aber lediglich mit einem kleineren Kreis von Beteiligten. Eine umfassende Bürgerbeteiligung würde die aufwendige Erstellung eines Verkaufsprospekts erforderlich machen, was sich bei zwei Anlagen aber nicht lohnen würde.

© Rhein-Neckar-Zeitung, Mittwoch, 25.09.2019