Havarie am Windrad in Gerichtstetten ist laut Hersteller Enercon ein Einzelfall – Suche nach der Ursache läuft auf Hochtouren
Es besteht keine akute Gefahr für die Bevölkerung
Der Schaden am Rotorblatt des Windrads ist gut zu erkennen. Foto: RNZ
Hardheim-Gerichtstetten. Wie kann es sein, dass sich ein sechs Meter langes Teil eines Rotorblatts löst und 150 Meter in die Tiefe stürzt? Auch vier Tage nach dem Vorfall im Bürgerwindpark gibt es darauf noch keine verlässliche Antwort. Die Experten des Windradherstellers Enercon (Aurich) suchen aber fieberhaft nach der Ursache für das Unglück, bei dem zum Glück niemand zu Schaden kam.
In der Nacht auf Samstag hatte sich das Stück des Hinterkantensegments gelöst und war rund 20 Meter von der Anlage entfernt auf die Kranstellfläche gefallen. Wie Enercon mitteilte, wurde die Anlage daraufhin gestoppt und in sicherer Position fixiert. Vorsorglich wurden auch der Bereich um die Anlage sowie die zum Windpark führenden Wege gesperrt. Ein Wachdienst wurde eingerichtet und sichert das Gelände. Auch das Landratsamt ist eingeschaltet und steht seither in ständigem Kontakt mit dem Betreiber und dem Hersteller, erklärt Jan Egenberger, Pressesprecher des Landratsamts in Mosbach. Die Behörde schaut genau hin: „Wir werten die verfügbaren Erkenntnisse mit Blick auf ein mögliches behördliches Tätigwerden aus.“
„Es besteht aus unserer Sicht keine akute Gefahr für die Bevölkerung“, erklärte Unternehmenssprecherin Antje Cznottka. Enercon gehe davon aus, dass es sich um einen Einzelfall handelt. „Ein vergleichbarer Schaden ist an den über 660 Rotorblättern der Enercon EP 4-Anlage bisher nicht aufgetreten.“ Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich ein solcher Schaden wiederholen könnte: „Die drei weiteren Anlagen des Parks sind nach aktueller Bewertung nicht gefährdet und können den Betrieb ohne Einschränkungen fortsetzen.“ Die Ursachenanalyse werde mit Hochdruck vorangetrieben. Dazu durchlaufen das betroffene und vorsorglich auch die drei benachbarten Windräder eine umfassende Prüfung mittels Drohne und Servicetechnikern, die sich an den Anlagen abseilen. Darüber hinaus werde ein unabhängiger Sachverständiger beauftragt, ein Gutachten zur Schadensursache zu erstellen.
Die Planung der Reparatur ist parallel dazu gestartet: Das Windrad soll so schnell wie möglich wieder in betriebsfähigen Zustand versetzt werden. „Wir arbeiten unter Hochdruck und mit vollem Einsatz daran, das Problem in Zusammenarbeit mit den Behörden schnellstmöglich zu lösen und die Anlage wieder in einen einwandfreien Zustand zu versetzen“, erklärt das Unternehmen. „Der Umgang mit technischen Störungen in der Vergangenheit hat gezeigt, dass wir diese Themen ernst nehmen und alles daran setzen, sie mit so wenig Beeinträchtigungen wie möglich zu beseitigen.“
Und Störungen gab es seit der Errichtung der vier Anlagen (Nabenhöhe: 159 Meter, Rotordurchmesser: 141 Meter) mehr als dem Betreiber und den gut 150 Kommanditisten aus der näheren und weiteren Umgebung lieb sein konnte. Kurz vor dem Inbetriebnahme des Bürgerwindparks waren im Sommer 2018 kleine Risse im Betonsegment eines Turms entdeckt worden – ein Fehler, der dafür gesorgt hat, dass bundesweit rund 70 baugleiche Anlagen aufwändig saniert werden mussten. Als dieses Problem in Gerichtstetten fast behoben war, wurde bei einer Anlage – eben der nun wieder betroffenen – ein defekter Azimutzahnkranz entdeckt. Der Azimutantrieb dreht die Gondel in die richtige Windrichtung.
„Super Anlagen“
Vor wenigen Wochen wurde diese Reparatur abgeschlossen, so dass der Windpark nun endlich in den Regelbetrieb übergehen sollte – bis diese Pläne am Samstag Makulatur wurden. Entsprechend schockiert war Harald Schmieg, Ideengeber und Geschäftsführer des Bürgerwindparks. Auch wenn Enercon für den finanziellen Schaden geradesteht, ist die Schadenshäufung für ihn sehr ärgerlich: „Eine Verkettung unglücklicher Umstände.“ Der Landwirt ist aber keiner, der den Kopf in den Sand steckt: „Ich bin von unserem Projekt nach wie vor zu einhundert Prozent überzeugt: Das sind super Anlagen, was uns auch externe Fachleute bestätigen.“
© Rhein-Neckar-Zeitung, Mittwoch, 04.12.2019